Als sich im Juli 2015 die Bürgerbewegung im Libanon bildete, engagierten sich auch viele Frauen. Doch schon bald wurden sie aus der Bewegung gedrängt. Leen Hashem über Schnittstellen zwischen öffentlich und privat.
Die historische Trennung in öffentlich und privat bringt eine Reihe von Herausforderungen und Hindernissen mit sich, nicht zuletzt für Frauen - vor allem dann, wenn sie sich öffentlich politisch betätigen. Mit diesen Hindernissen sahen sich Frauen konfrontiert, als sich im Juli 2015 die Bürgerbewegung im Libanon bildete, um Lösungen für die Müllkrise und andere Probleme wie die Korruption und die Ineffizienz der libanesischen Regierung einzufordern.
Die Rolle der Frau wurde lange mit der Privatsphäre, sprich dem häuslichen Umfeld und einem traditionellen Lebensstil, assoziiert, in dem Frauen der Autorität des Vaters oder des Ehemanns unterstehen. Männer hingegen verkörpern die öffentliche Sphäre und repräsentieren die wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und sicherheitsrelevanten Funktionen, die Teile des öffentlichen Wirkungsbereichs darstellen. In der öffentlichen Sphäre ist es daher für Frauen schwierig zu agieren, obgleich in unterschiedlichem Ausmaß, je nach ihrer Klassenzugehörigkeit oder ethnischem Hintergrund, ihrem Alter und ihrem Erscheinungsbild, ganz zu schweigen davon, aus welchem Viertel oder welcher Region sie stammen.
Im Libanon ist die öffentliche Sphäre üblicherweise von Kontroll- und Zensurmechanismen gekennzeichnet, zum Beispiel von „Bräuchen und Traditionen“, Gesetzgebung und Sicherheitskräften, Videoüberwachung – und natürlich den aufdringlichen Blicken von Männern. Männer sind in der Öffentlichkeit präsenter und bringen ihre Anwesenheit auf unterschiedliche Art und Weise zur Geltung: von lauten gehobenen Stimmen, Nacktheit und öffentlichem Urinieren, sie bewegen sich in Gruppen und gehen nachts lange aus, bis hin zu aggressivem Verhalten und der physischen Belästigung von Mädchen, Frauen und anderen Personen, die nicht den traditionellen Gender-Rollen und sozialen Normen entsprechen. Letztere werden gezielt drangsaliert, sodass die Angreifer ihre Kontrolle über den öffentlichen Raum behaupten können.
Zensur des öffentlichen Raums
Solch feindseliges und ausschließendes Verhalten wird von gesellschaftlichen Erklärungsmustern begleitet, die von der Teilung in öffentlich/privat ausgehen, und dazu dienen, die männliche Kontrolle über die öffentliche Sphäre zu bewahren, was beinhaltet, dass Frauen und anderen, die männlicher Gewalt ausgesetzt sind, die Schuld daran gegeben wird, dass sie ihre „natürliche“ Privatsphäre (wo sie ebenfalls der Gewalt von Männern - durch Bräuche, Traditionen, Gesetze und religiöse Verordnungen bestärkt - begegnen) verlassen haben und dafür, dass sie die öffentliche Sphäre zum falschen Zeitpunkt, am falschen Ort, mit der falschen Kleidung, mit den falschen Gefährten oder aus dem falschen Grund betreten. Der männlichen Logik zufolge ist die öffentliche Sphäre der natürliche Herrschaftsbereich von Männern, und die Mehrzahl ihrer Handlungen dort ist gerechtfertigt und verzeihlich: Es liegt demnach in der Verantwortung von Frauen, sich zu schützen, indem sie sich von dieser Domäne fernhalten und innerhalb der Grenzen ihres Hauses oder – zumindest – ihrer unmittelbaren Nachbarschaft bleiben, welche ebenso genau vorgegebenen Verhaltensregeln und Zensur unterliegt, und in denen männlicher Schutz gewährt oder verweigert wird - ganz wie es den Gruppen junger Männer, die diese Viertel dominieren, gefällt.
Ausschließende Praktiken und die Zensur des öffentlichen Raums sind historisch eine der gängigsten Formen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung von Frauen und finden den offensichtlichsten Ausdruck in Vorfällen direkter Gewalt wie Belästigungen, Raubüberfällen, Vergewaltigungen, Verhaftungen oder staatlicher Gewalt, insbesondere seit sich der Bewegungsradius libanesischer Frauen ausweitet. Dennoch haben Frauen nicht aufgehört, diesen Hindernissen die Stirn zu bieten und ihre Präsenz im öffentlichen Raum auf verschiedene Art und Weise zu behaupten. Zum einen im täglichen Leben und zum anderen im organisierten Rahmen von politischem Aktivismus, Protesten und Demonstrationen, wie es der Fall während der Bürgerbewegung war.
Frauen in der Bewegung: Eine öffentlichere Präsenz
Auf direktem und indirektem Weg, organisiert wie auch spontan, spielen Frauen in der arabischen Welt seit Langem eine Rolle in den politischen, nationalen, Gewerkschafts- [1] und Rechtskämpfen in Syrien, Palästina, Irak, Ägypten, Tunesien und natürlich im Libanon [2]. Sie waren für Mobilisierungskampagnen und deren Durchführung verantwortlich, nahmen an Protesten teil, organisierten Zusammenkünfte, traten dem bewaffneten Kampf gegen eine Reihe von Mandatsregierungen und Besetzern bei, wobei sie von ihren Familien und der breiteren Gesellschaft unterstützt und ermutigt wurden, behielten ihre Disziplin angesichts der schwierigsten Umstände bei, waren Opfer von Gewalt und Verhaftungen und durchstanden Hungerstreiks. Sie sind dem Kampf treu geblieben und haben die Schlachten oft gewonnen. Was waren die jüngsten Aufstände in Tunesien, Ägypten und Syrien oder die Volksbewegung im Libanon, wenn nicht die nächsten Schritte auf diesem Weg? [3] Diese Beiträge liefen jedoch immer Gefahr, im Zuge der Marginalisierung von Frauen und ihres Aktivismus‘ vernachlässigt und unterdrückt zu werden.
Die überlieferte Geschichtsschreibung in ihrer geläufigen Form ist größtenteils eine Geschichte, die von Männern geschrieben wurde und von den Taten und Leben anderer Männer, die ihnen vorangingen, berichtet. Weibliche Geschichte hingegen musste durch die Mittel mündlicher Geschichtserzählung und Märchen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass diese Erzählungen bewahrt und dokumentiert werden. Dieser Umstand erklärt zudem die schockierte Reaktion einiger, wenn sie Zeuge davon werden, wie Frauen an öffentlichem Widerstand teilnehmen: Ihre Geschichte wurde aus dem volkstümlichen Gedächtnis und der offiziellen Geschichtsüberlieferung herausgeschnitten, weshalb es nun, auch aufgrund der historischen Typisierung der Rolle der Frau, vielen Schwierigkeiten bereitet, sich Frauen als Akteurinnen in der öffentlichen Sphäre vorzustellen. Der Widerstand von Frauen ist keinesfalls nur ein modernes Phänomen – jedoch wird er einerseits innerhalb der politischen Arenen wie Parteien, Gewerkschaften, Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von der dort vorherrschenden maskulinen Mentalität und Kultur dominiert werden [4], marginalisiert und angegriffen. Andererseits wird der Widerstand nicht ernst genug genommen oder ihm wird nicht mit genug Interesse begegnet, um ihn anzuerkennen, zu dokumentieren oder auch nur davon zu berichten.
Im Sommer 2015 beteiligten sich Frauen auf verschiedenen Ebenen und Funktionen an der Bürgerbewegung. Sie übernahmen Führungsrollen und trafen Entscheidungen [5]. Sie übernahmen organisatorische Aufgaben, Feldarbeit, Berichterstattung und traten in den Medien auf. Sie recherchierten und analysierten, beteiligten sich am öffentlichen politischen Diskurs, sie berichteten und engagierten sich auch in den Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, wo sie Opfer von Prügel, Missbrauch und Haft wurden (z.B. Nidal Ayoub, Yara Al Harake und andere Aktivistinnen). Maya Malkani, eine weitere libanesische Aktivistin, spricht davon, in Haft geschlagen und mit sexueller Gewalt bedroht worden zu sein [6]. Ein kritischer und intersektioneller feministischer Diskurs entwickelte sich in den Berichten und der Literatur von Gruppen wie der The People Want-Koalition oder in der Arbeit des Feminist Bloc, welcher an einer Reihe von Demonstrationen unter dem Slogan „Das patriarchalische Regime tötet“ teilnahm.
Die Beteiligung von Frauen an der Bewegung war nichts Neues und ebenso wenig ein Anlass schockiert zu sein oder zu feiern. Es stellte sich heraus, dass sie gestandene Aktivistinnen waren, die bestens vertraut damit waren, politische Forderungen zu stellen. Entwicklungen in der Medienwelt und den sozialen Netzwerken verstärkten jedoch die Wahrnehmung, dass Frauen präsenter denn je in der öffentlichen Sphäre sind [7]. Der unvollkommene Charakter der Bewegung, die (vor allem zu Beginn) Gruppen und Forderungen so divers, dass sie gar widersprüchlich waren, einbezog [8] und die organische und jugendliche Natur der beteiligten Gruppen (deren interne Strukturen sich größtenteils von denen der traditionellen Parteien und Parteiinstitutionen unterschieden) waren Faktoren, die dazu verhalfen, die Beiträge von Frauen ins Rampenlicht zu rücken [9].
Aus der Bewegung gedrängt
Dass Frauen effektiv in die Bewegung einbezogen wurden, sollte jedoch die diskriminierenden männlichen Handlungen verschleiern, die auf Frauen, auch nicht-libanesische und transsexuelle Frauen, abzielten, die ebenfalls auf die Straße gingen, um sich gegen Ausbeutung und Marginalisierung zu wehren und Gehör zu verschaffen. Junge Männer aus randständigen Arbeiter-Wohnvierteln wie al-Khandaq al-Ghamiq, Hayy al-Sillom und al-Tariq al-Jadida, gemeinhin als Teile der “Fünften Kolonne” bekannt, nahmen ebenfalls an den Demonstrationen teil und legten Wert darauf, die „Teufelei“ bestimmter Medienorganisationen und der ihnen angeschlossenen Gruppen in der Bewegung herauszustellen, ganz zu schweigen von der Gewalt der Sicherheitskräfte, den Haftaufenthalten und den militärischen Strafverfahren [10]. Auf verschiedenste Art und Weise wurden Frauen aus der Bewegung gedrängt: Die genderspezifische Gewalt der Sicherheitskräfte gegen Demonstrantinnen und Aktivistinnen spielte eine Rolle, ebenso wie die generelle Dynamik der Unterdrückung. Frauen wurden durch einige Gruppen der Bewegung von Koordinationstreffen ausgeschlossen, bis hin zu dem Punkt, an dem Frauen vollständig ausgeschlossen waren. Danach wurden die Bedenken und Forderungen von Frauen als zweitrangig in dem „übergeordneten Kampf“ abgetan. Das drückte sich auch in den Transparenten aus, auf denen während der Demonstrationen geschlechtsspezifische Beleidigungen und Slogans gezeigt wurden, die Körper von Frauen und homosexuelle Metaphorik nutzten, um die Regierung zu schmähen.
Auch wurden Aktivistinnen mit Migrationshintergrund, dunkelhäutige und transsexuelle Frauen [11], während der Demonstration am 20. September 2015 ausgegrenzt und beleidigt [12]. In den sozialen Netzwerken machten Videos die Runde, in denen Frauen von männlichen Aktivisten drangsaliert worden waren, und die nun im Internet zusätzlich verspottet wurden. Ganz zu schweigen davon, dass diese Handlungen als „Verunglimpfungen der Ehre der Bewegung“ bezeichnet wurden, was von einer rein männlichen Mentalität zeugt, die auf gewalttätigen, patriarchalischen Konzepten wie Ehre, Schutz, und Machismo beruht [13].
Das zeigt, wie notwendig radikale Kritik und Dekonstruktion an den vorherrschenden männlichen kulturellen, ethischen, linguistischen und moralischen Strukturen als wesentliche Komponenten des politischen Kampfes ist: genau das wird in dem Ansatz der marxistisch ausgerichteten, radikalen und intersektionellen feministischen Schulen und von vielen Frauen und Feministen innerhalb der Bewegung verlangt. (Und das ist auch der Ansatz, den sie mit ihren Reaktionen auf männliche Aggression online, und in öffentlichen Diskursen und im Feld der Linguistik praktizieren – ganz zu schweigen von den Forderungen auf dem Riyad-al-Solh-Platz und dem Platz der Märtyrer während der Proteste in Beirut).
Alibibeteiligung und Quotensystem
Vor diesem Hintergrund lehnen Feministinnen das Konzept der Alibibeteiligung von Frauen oder das Quotensystem, das von traditionellen Parteien und staatlichen Institutionen angewandt wird, als praktisch bedeutungslosen Indikator von Modernität und Inklusivität ab. Dies ist auch der Gedankengang, den manche der Gruppen in der Bewegung versuchten zu verfolgen, indem sie betonten, dass es anstatt von Quoten eine kühne und realistische öffentliche Evaluierung der wahren Natur des Raumes geben sollte, der Frauen im Rahmen der Bewegung zugestanden wird, und zudem eine Auswertung der versteckten Gender-Dynamiken, selbst wenn dies bedeutet, dass das erstrebte, idealisierte Bild der Bewegung beeinträchtigt wird und es sie Wut, Spott und Aussonderung aussetzt - und auch dem ein oder anderen gescheiterten Versuch, durch angebliche „Anführer des Wandels“, sie zum Schweigen zu bringen.
In diesem Sinne sind die Frauen in der Bürgerbewegung keine politischen Tagesausflüglerinnen. Die Bewegung ist ein Experiment an einem entscheidenden Wendepunkt, welches ernsthafter Recherche und Untersuchung, sowie einer beherzten Selbstanalyse würdig ist. Jedoch ist es ebenso wichtig, dass diese Bewegung eine politische und öffentliche Arena geschaffen hat, in der Frauen öffentlich und persönlich gegen Korruption, den Staat, soziale und männliche Gewalt ankämpfen, und offenlegen, wie sie in der Öffentlichkeit zum Schweigen gebracht, an den Rand gedrängt, von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und körperlich bedrängt werden [14].
Dies reflektiert, wie sich verschiedene Kämpfe im Alltag von Frauen überschneiden. Dass diese in ganz verschiedenen Bereichen auftreten und sich ganz explizit innerhalb dieser Bewegung zeigen, macht deutlich, dass die Forderungen von Frauen innerhalb einer Volksbewegung, die revolutionären Wandel verlangt, nicht zweitrangig oder untergeordnet sein können, sondern dass sie vielmehr organisch in diesen Forderungen verwurzelt sind. Politischer Aktivismus, der revolutionär sein soll, muss Frauen beinhalten. Kritisches feministisches Denken ist der Kern von politischem Aktivismus und revolutionärer Philosophie.
Es kann der Bürgerbewegung und anderen politischen Bewegungen im Libanon und in der Region zugutekommen, feministische Theorien, Analysemethoden und -werkzeuge zu benutzen. Die moralischen Rahmenwerke dieser Theorien führen zu einer kritischen Dekonstruktion der Dynamiken von Macht und Unterdrückung. Nur so kann ein politisches Fundament für alle offen, übergreifend und solidarisch gestaltet werden.
Übersetzung: Christine Kollmar
Fußnoten
[1]. Als Beispiele führe ich die Erlebnisse der KAFA (Enough)-Assoziation bei deren Bestrebungen an, im Jahre 2014 ein Gesetz für den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt aufzusetzen, die anhaltenden Auseinandersetzungen innerhalb der My Nationality is a Right for Me and My Family-Kampagne, die auf das Recht für libanesische Frauen, ihre Nationalität an nicht-libanesische Ehegatten und Kinder zu verleihen, hinarbeitet, und die Erfahrungen der Domestic Workers Union, die von eingewanderten Arbeiterinnen am 25. Januar 2015 gegründet wurde und einen Meilenstein für die organisierte Arbeiterbewegung im Libanon darstellt. Die Gewerkschaft wurde von dem Arbeitsminister, Sejaan Aazzi, ausdrücklich abgelehnt und erhielt keine Zulassungsgenehmigung. Weitere Informationen werden im Artikel von Eva Shoufi in Al Akhbar vom 1. Februar 2016 bereitgestellt: http://www.al-akhbar.com/node/251104
[2]. In „Workers without unions; Unions without workers“ (Ausgabe 6 der Reihe The Permanent Revolution, Januar 2016) (permanentrevolution-journal.org/ar/node/136) stellt Farah Kobeissi Beispiele des Arbeitsaktivismus von unabhängigen Frauen in Seidenmanufakturen im Libanon-Gebirge während des frühen 19. Jahrhundert und später, nachdem sie von der organisierten Arbeiterbewegung ausgeschlossen wurden, im Regie Tabak-Unternehmen vor. Ihr Kampf wurde später aus den Schriftstücken der Gewerkschaftler und Historiker der Arbeitsbewegung ausgelassen.
[3]. Der Aktivismus von Frauen soll keineswegs romatisiert werden - viele Frauen unterstützten die Zuama und traditionelle, rechtsextreme und konservative politische Parteien im Libanon und nahmen (und nehmen weiterhin) an bewaffneten sektiererischen Auseinandersetzungen wie dem Libanesischen Bürgerkrieg teil. Der politische Kampf von Frauen ist nicht unbedingt revolutionär aus dem einfachen Grund, dass sie Frauen sind – ein Umstand, der Licht auf die wahre Natur menschlicher politischer Aktivität wirft.
[4]. Ebd.
[5]. Bei der Betrachtung von dem Konzept der Führung und der Persönlichkeit des Führers (männlich oder weiblich) ist es erforderlich, die Machtdynamiken innerhalb der Gruppe und die sozialen, schulischen, Klassen- und Genderprivilegien, die jenen Individuen zuteil werden, die eher für die Beförderung zu Führungspositionen infrage kommen, in die Analyse einzubeziehen.
[6]. Siehe den Bericht von Maya Malkani: https://www.youtube.com/watch?v=HxdtAp-rkpc
[7]. Für mehr Gründe als hier genannt werden können, jedoch u.a. aufgrund der Entwicklungen in den verfügbaren Arbeitsmodellen, dem Einsatz von Finanzmitteln, dem gestiegenen Bildungsniveau, der sich verändernden Geschlechterverhältnisse, Auswanderung, Urbanisierung und natürlich als Folge des Kampfes von Frauen/Feministinnen mit seiner weitreichenden Geschichte (vor allem während der letzten 20 Jahre), ganz zu schweigen von der Entstehung von feministischen Gruppen in Jugend- und Studentenkreisen während des letzten Jahrzehnts, die mit ihren radikalen Diskursen zur Kritik des Staats beitragen.
[8]. Neben der Forderung nach einer Lösung für die Müllkrise inkorperierte die Volksbewegung eine Vielzahl von themenbezogenen Forderungen in ihre Demonstrationen und Besetzungen, unter anderem auch Rechte für die Familien von Arbeitern der Anfa-Salzfabriken, Rechte für Lehrer und Freiwillige der Zivilverteidigung, eine Kampagne zum Schutz von Beiruts „Dalieh“-Küstenfront, die Denunzierung des Kafala-Bürgerschaftssystems, welches das Leben von ausländischen Arbeitern determiniert, die Denunzierung von Ausländerfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen und weitere Probleme, die Frauen betreffen (sogar geschlechtliche Identität). All dies wurde aus den Slogans und Bannern und der Art von Leuten, die teilnahmen, ersichtlich. Der durch diese Demonstrationen geschaffene Raum war dadurch unstrukturiert, uneingeschränkt und unkontrolliert – völlig anders als die Umwelt, die durch die traditionellen libanesischen Parteien und Koalitionen erzeugt wird. Der geschaffene Raum war offen und unvollkommen und war daher in der Lage, verschiedene Bürgergruppen und eine Bandbreite von Forderungen einzuschließen. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass ein Bedarf für eine tiefere und präzisere Auswertung des politischen, materiellen und diskursiven Raums der Bewegung und davon, wie verschiedene Klassen und Streitfragen darin interagieren, besteht.
[9]. Es ist wichtig, die Unterschiede in den Erlebnissen von Männern und Frauen in der Volksbewegung je nach deren ethnischen, regionalen, Klassen- und Genderzugehörigkeiten zu bedenken zu geben.
[10]. Was die organische Überschneidung von Maskulinität, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Klassendiskriminierung, Homophobie, Misogynie, Transphobie bestätigt, da all diese Formen von Gewalt und Ausschluss auf einer patriarchalischen Struktur aufgebaut sind, die ihre Werte, Beurteilungen und Gesetze mit einer Vielfalt an gewalttätigen Art und Weisen direkt und indirekt aufzwingt, um den Status Quo angesichts der versuchten Widerstands, Wandels und der Bewahrung der Interessen und der Macht jener mit ethnischen, religiösen, Gender- und Klassenprivilegien auf Kosten von gefährdeten Gemeinschaften und Individuen mit weniger Zugang zu Macht und Schutzmechanismen zu bewahren. Dies ist Teil einer Machtdynamik, die durch eine Reihe von Scheingründen wie etwa die „Natur“ oder das „größere Gut“ - Konzepte, die, sobald sie dekonstruiert werden, als gegenstandslos und unlogisch enttarnt werden - gerechtfertigt, geschützt und propagiert werden.
[11]. Für detailliertere Beispiele dieser und anderer Vorfälle siehe „What’s feminism got to do with it? Is there a need for feminism in Lebanon’s current protests?” (www.sawtalniswa.org/article/506) von Stephanie Gaspais und Lamia Moghnie in Sawt Al Niswa.
[12]. Sawt Al Niswa dokumentierte die Aussagen von Frauen, die Opfer von Belästigung wurden: http://www.sawtalniswa.org/article/511
[13]. Weitere Informationen zu den Erfahrungen von Frauen innerhalb der Bewegung können in den Beiträgen der Konferenz zu geschlechtsspezifischen Aspekten der Bewegung, organisiert am 28. November 2015 durch die Amerikanische Universität in Beirut, gefunden werden. Die volle Konferenz wurde auf der Manshour-Webseite des Socialist Forum veröffentlicht: al-manshour.org/node/6604
[14]. Als Teil meines Beitrags zu der in der vorigen Fußnote hingewiesenen Konferenz untersuchte ich die vorherrschende maskuline Ethik des politischen Aktivismus im libanesischen politischen System. Es handelt sich hierbei um eine Ethik, die Frauen und anderen feindlich gegenübergestellt ist und sie in ihrem alltäglichen und politischen Leben herausfordern. Siehe mein Beitrag hier: : http://al-manshour.org/node/6604